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July 26, 2023
July 27, 2023
In diesem Blogbeitrag konzentrieren wir uns auf das Problem der Lärmbelastung und die Frage, wie innovative Lösungen von Startups dazu beitragen können, zukünftige Smart Cities beim Sammeln und Nutzen von Umweltdaten zu unterstützen. Wir zeigen Beispiele auf, wie Städte smarte Sensor-Technologie einsetzen, um Quellen von Lärmverschmutzung zu identifizieren und zu bekämpfen. Damit können Städte ihren Zielen ein Stück näher kommen, nachhaltige und lebenswerte Räume zu bieten.
In Deutschland ist es laut. So laut, dass für 46 % der Bevölkerung Deutschlands eine gleichzeitige Lärmbelastung durch Straßen-, Schienen- und Luftverkehr Alltag ist. In der lautesten deutschen Stadt Hannover lag die Belastung 2011 bei 83 Dezibel (Handelsblatt, 2011). Das bedeutet, dass ein Lärmpegel, vergleichbar mit dem einer Hauptverkehrsstraße, für Hannoveraner:innen Normalzustand ist. Zum Vergleich: Die gesetzliche Obergrenze von Lärm liegt bei 55 Dezibel tagsüber (BMUV, 2014). Dieses Ergebnis ist aber nur ein Spitzenwert der bundesweiten Belastung. Das Problem dieser verwendeten Messtechnik ist, dass die verwendeten Sensoren nicht ‘smart’ sind, also nur eine lokale Momentaufnahme der Stärke der Lärmbelastung geben. Sie bieten aber keinen vertieften Blick über die Lärmquelle oder die durchschnittliche Belastung im Stadtgebiet. Städte sind also gefordert, die Lärmbelastung systematisch zu verstehen und Maßnahmen zur Eindämmung zu ergreifen, um die Lebensqualität ihrer Bewohner:innen zu verbessern.
Welche Belastung stellt Lärm dar? Lärm speist sich aus verschiedenen Quellen wie Verkehrs-, Baustellen-, Industrie- und Freizeitlärm. Für den Menschen hat Lärm nachweislich negative Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit. Langfristige Belastung kann zu Schlafstörungen, Stress, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hörschäden und sogar kognitiven Beeinträchtigungen führen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2023) hat Lärmverschmutzung als eine der größten Umweltgefahren für die Gesundheit weltweit und für Westeuropa identifiziert. Insgesamt sind Umweltbelastungen zudem ungleich verteilt, denn sie betreffen Haushalte mit geringem Einkommen und Migrationshintergrund überdurchschnittlich stark (WZB, 2021).
Eine EU-Richtlinie von 2002 (2002/49/EG) hat das Thema Lärmbelastung auf die politische Agenda in Deutschland gebracht. Die Richtlinie fordert Städte auf, alle fünf Jahre Lärmkarten und Aktionspläne zum Lärmmanagement zu veröffentlichen. Es wurden hierzu überall in Deutschland Messstationen aufgestellt, um die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm datenbasiert zu unterstützen.
Auch in Smart City-Strategien wird das Problem Lärm bereits vereinzelt erkannt: So erwähnt die Stadt Mannheim die Reduktion von Lärm als Teil ihrer Smart City-Strategie (Stadt Mannheim, 2023). Einen Schritt weiter ging Bad Hersfeld: Bürger:innen können mit der Smartphone App „Bad Hersfeld Smart City Lärmmessung“ durch eigene Datensammlung dabei helfen, eine Karte der Lärmbelastung im Stadtgebiet zu erstellen und so datenbasiertes politisches Handeln in ihrer Gemeinde aktiv unterstützen (Bad Hersfeld, 2018). Diese Beispiele zeigen, dass einige Stadtverwaltungen das Problem Lärm bereits ernst nehmen und schon jetzt innovative Lösungsansätze testen.
Bisherige Ansätze in Deutschland bieten eine erste Grundlage, um Lärmverschmutzung zu beobachten, sie genügen aber nicht, um die Belastung systematisch zu verstehen und effektive Maßnahmen umzusetzen. Drei zentrale Probleme lassen sich mit Blick auf existierende Messnetze feststellen:
Inzwischen gibt es technologische Lösungsansätze, wie etwa audiovisuelle Sensoren, die Kommunen zur Verfügung stehen. Bei diesen Sensoren werden Kameras und Mikrofone zusammen eingesetzt, die eine verbesserte Datengrundlage bieten. Mithilfe von Software können die gesammelten Audio- und Videodaten automatisiert zusammengeführt werden, um Quellen von Lärmverschmutzung direkt festzustellen (Sorama, 2023). Hierdurch kann die Stärke, Quelle und Art des Lärms festgestellt werden.
Ein Anwendungsbeispiel hierfür ist der bundesweit erste Lärmblitzer: Dieser ist mit vier Mikrofonen und einer 180-Grad-Weitwinkel-Kamera ausgestattet und soll Schallquellen direkt erfassen und zuordnen können (Tagesschau, 2023). In einem Forschungsprojekt testet die Stadt Berlin gemeinsam mit der TU Berlin diese Technologie am Kurfürstendamm aus. Die Technologie stammt aus Frankreich und wurde entwickelt, um die Fahrer:innen unerlaubt lauter Autos zu ahnden (Bruitparif, 2022). Im Vereinigten Königreich wurden auch im Winter 2022/2023 die Sensoren der Firma MicrodB bereits in einigen Städten getestet (Department for Transport, 2022; MICROdB, 2023. In Deutschland gibt es zwar bereits eine gesetzliche Grundlage, um besonders laute Fahrer bußgeldlich zu ahnden, aber eine fehlende Datengrundlage und unklare Schwellenwerte führen dazu, dass das Gesetz kaum Anwendung findet. In Berlin verspricht man sich durch den Lärmblitzer einen Fortschritt in der gesetzlichen Kontrolle besonders lauter Autos. Nebenbei demonstriert der Blitzer, wie Städte auf innovative Lösungen aus dem Tech-Ökosystem zurückgreifen und gemeinsam mit externen Anbietern Lösungen an ihre Bedürfnisse anpassen können.
Auch im Crowd-Management finden smarte Sensoren einen Einsatz, wie im Living Lab „Public Sound Sensor Safety Project", bei dem die Stadt Eindhoven mit einer Firma zur automatisierten Videoanalyse und zwei europäischen Nachhaltigkeits- und Tech-Netzwerken kooperiert (BABLE, 2023). Hier wird eine ähnliche Kombination aus Kameras und Mikrofonen verwendet, um Lärmquellen im Ausgehviertel der Stadt Eindhoven, der Straße Stratumseind, zu identifizieren. Die benötigten Informationen werden aus den Daten gefiltert, um eine Heatmap zu erstellen, auf der besonders laute Geräuschquellen wie z.B. von Gewalt in der Straße visualisiert werden können. Solche Lärm-Sensoren könnten auch zu polizeilichen Zwecken, vor allem zur Entdeckung krimineller Aktivitäten im öffentlichen Raum, eingesetzt werden (Thenextweb, 2018). Sie bieten aber eine Vielzahl weiterer Anwendungsfälle, beispielsweise um Gaslecks an Gebäuden oder beschädigte Klimaanlagen festzustellen oder auch in Sportstadien, um die Fan-Begeisterung über ihre Lautstärke zu messen (Sorama, 2023). Das Projekt in Eindhoven zeigt, wie eine interdisziplinäre und organisationsübergreifende Zusammenarbeit in Stadtverwaltungen integrierte Lösungsansätze ermöglicht und parallele Messstrukturen verhindern kann.
Die aufgeführten Best Practices zeigen, wie Städte die Datensammlung und -analyse im Bereich Lärmverschmutzung innovativ verbessern können. Dieser Schritt ist jedoch nur einer von vielen auf dem Weg zu einer echten Smart City, die Lärmbelastung als Teil ihrer Nachhaltigkeitsstrategie effektiv bekämpft. Von der politischen Strategie bis zur Umsetzung konkreter Maßnahmen zur Geräuschreduktion ergeben sich für uns fünf zentrale Handlungsempfehlungen:
Ein großes Versprechen von Smart Cities ist es, durch datenbasiertes Handeln nachhaltige Lebensräume zu schaffen. Wie im ersten Teil unserer Serie zu Smart Cities festgestellt, können nur die Probleme wirklich angegangen werden, die auch gemessen werden. Lärmbelastung sollte daher ein integraler Bestandteil von Nachhaltigkeitszielen in Smart City-Strategien werden. Städte müssen hierfür Umweltdaten sammeln und sie zudem standardisieren und aufbereiten. Denn die Erwartung von Bürger:innen an die Verwaltung, datenbasiert innovative Projekte zu planen und umzusetzen, steigt. Eine enge Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen Behörden, Technologieunternehmen, der Zivilgesellschaft und Universitäten ist hierfür entscheidend.
Mit Blick auf den aktuellen Stand der technologischen Entwicklung können Städte bereits jetzt von einer Vielzahl von Angeboten in Deutschland und Europa profitieren. Hierfür ist es entscheidend, Anwendungsfälle zu untersuchen, um mit Fokus auf die Bedürfnisse von Bürger:innen nutzerzentriert einen konkreten Mehrwert zu schaffen. Eine verstärkte Auseinandersetzung und der Einbezug von Best Practices kann auch die Scheu vor technologisch neuen Lösungen abbauen. Hierdurch kann in einem strukturierten Prozess herausgearbeitet werden, welche technologischen Lösungen für Städte strategisch sinnvoll sind. Städte sind nicht auf sich allein gestellt und können von einem aufstrebenden Anbieter-Ökosystem im Bereich der Smart City-Sensorik zählen.
Wir kennen uns bestens im GovTech Ökosystem aus und vernetzen die Verwaltung und Startups miteinander, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Wenn Sie sich mit dem Thema Monitoring von Umweltbelastung beschäftigen wollen, melden Sie sich gerne bei uns, um gemeinsam Maßnahmen effizient umzusetzen und geeignete GovTech-Lösungen zu schaffen. Kontakt: dennis.schmargon@public.io. Dennis ist als Lead für Business Development & Growth unser erster Kontaktpunkt, um neue Projekte aufzusetzen.
Autor: Leonhard Hemmerlein, PUBLIC Deutschland
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