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May 23, 2023

Das Playbook: Beschaffung für Startups und innovative KMU

In den letzten Jahren haben sich innovative Beschaffungsvorhaben darauf konzentriert, die Kompetenzen öffentlicher Einkäufer auszubauen. Doch damit Beschaffer:innen und innovative Unternehmen in Zukunft besser zueinander finden, muss auch die Anbieterseite unterstützt werden. Zu diesem Zweck haben PUBLIC und KOINNO 2022 das “Playbook: Beschaffung für Startups und innovative KMU” erstellt und im Februar 2023 umfassend aktualisiert.

Es bedarf Engagement von zwei Seiten, damit innovative Beschaffung gelingen und das Potenzial moderner digitaler Lösungen im öffentlichen Sektor vollkommen genutzt werden kann. Öffentliche Einkäufer müssen sich engagieren, um in ihren Einkaufsprozessen mehr Platz für innovative Anbieter wie Startups und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu schaffen. Auf der anderen Seite müssen diese Startups und KMU aber auch dazu in der Lage sein, sich auf Augenhöhe an den für sie relevanten Beschaffungsprozessen zu beteiligen.

Innovativen Anbietern fehlt der Überblick über die Regeln und Abläufe öffentlicher Beschaffung

Aktuell ist das noch zu selten der Fall. In der Arbeit mit Startups stellt PUBLIC immer wieder fest, dass viele Startups daran scheitern, ihre innovativen Lösungen an Kunden im öffentlichen Sektor zu vertreiben, obwohl sie dort eigentlich wichtige Mehrwerte liefern könnten. Nach einigen gescheiterten Versuchen geben Startups oft frustriert auf, denn sie müssen mit ihren begrenzten Ressourcen gut haushalten. Andere trauen sich an den öffentlichen Sektor gar nicht erst heran. Die Vorbehalte sind groß: Viele glauben, dass langwierige öffentliche Ausschreibungen der einzige Weg in den öffentlichen Sektor sind oder sehen sich von Eignungs- und Wertungskriterien ausgeschlossen. Einige gehen im Zweifel sogar davon aus, dass Beschaffungsprozesse von Beginn an auf bekannte, altbackene Anbieter gemünzt worden sind. In Einzelfällen mögen Vergabestellen das Vergaberecht so konservativ anwenden, dass manche dieser Vorbehalte sogar berechtigt erscheinen. Insgesamt lassen sich die Frustrationen von Startups jedoch vor allem darauf zurückführen, dass sie kein gutes Verständnis dafür haben, wie Beschaffungsprozesse tatsächlich ablaufen. Wer sind die relevanten Akteure? Warum handeln sie so, wie sie es tun? Welche Vergabeverfahren gibt es überhaupt und wie wird bestimmt, wann sie angewendet werden? Und: Was kann ein Startup tun, um in diesem Dickicht aus juristischen Regularien und verteilten Zuständigkeiten zum Zug zu kommen? Nur wenn Startups und innovative KMU die Fragen auf diese Antworten kennen, können Fehleinschätzungen abgebaut und die Unternehmen dazu befähigt werden, im Markt öffentlicher Beschaffung als den etablierten Akteuren gleichwertige Anbieter aufzutreten, die Beschaffungs- und Vergabestellen gezielt über ihre neuartigen Lösungen informieren. In der Konsequenz wächst das Angebot und der Wettbewerb nimmt zu, sodass der öffentliche Sektor bessere und innovativere Lösungen zu kompetitiveren Preisen einkaufen kann.

Die Inhalte des Playbooks

Um Startups und innovativen KMU dabei zu helfen, Antworten auf die oben genannten Fragen zu finden und sich effektiv am Markt der öffentlichen Beschaffung zu beteiligen, haben PUBLIC und KOINNO das Playbook 2022 geschaffen und im Februar 2023 umfassend aktualisiert. Als kostenlose Online-Ressource enthält es wertvolle Informationen, Tipps und Ressourcen rund um das Thema der öffentlichen Beschaffung. Das Playbook ist in vier Teile unterteilt. Ein erster Teil betrachtet die Chancen und Herausforderungen, die für Startups und innovative KMU im öffentlichen Sektor bestehen. Ein zweiter Teil erläutert im Detail, was öffentliche Beschaffung und Vergabe sind, wodurch sie sich von privatwirtschaftlicher Beschaffung unterscheiden und wie sie ablaufen - welche Vergabeverfahren es etwa gibt, wann sie zum Tragen kommen und wie relevant sie für Startups und innovative KMU sind. Ein dritter Teil schildert Schritt für Schritt, wie Startups und KMU vorgehen können, um proaktiv ihr Geschäft im öffentlichen Sektor zu entwickeln und wie sie sich mit maximalen Erfolgschancen an Ausschreibungen beteiligen können. Im vierten Teil bietet das Playbook den Anbietern eine Liste nützlicher Ressourcen, darunter zum Beispiel “Cheat Sheets”, welche die Vergabeportale, Schwellenwerte und digitalisierungsrelevanten Akteure der verschiedenen Bundesländer besprechen.

Proaktive Anbieter sind für die innovative Beschaffung unerlässlich

Das Playbook betont immer wieder, dass für Startups und junge KMU deutlich mehr Freiräume bestehen, auf potenzielle Kunden des öffentlichen Sektors zuzugehen – deren Bedarfe zu verstehen und eigene Lösungen zu platzieren – als meist angenommen wird. Denn die gesetzlich vorgesehene Markterkundung ist keine Einbahnstraße. Vielmehr müssen innovative Anbieter potenzielle Kunden über ihre neuartigen Lösungen informieren, um Beschaffungs- und Vergabestellen dabei zu helfen, einen Überblick über den sich stetig wandelnden Markt zu gewinnen und Lösungen nicht unwissend vom Wettbewerb auszuschließen. Viele der Hürden, die sich Startups und innovativen KMU im öffentlichen Sektor stellen, können durch diesen frühen Austausch überwunden werden. Für Startups und KMU ist es essenziell, sich vorher genau zu überlegen, welches Ziel sie mit dem proaktiven Vorgehen verfolgen: Einen Direktauftrag über 5.000 Euro zu gewinnen, um erste Erfahrungen und Referenzen in einer Region zu sammeln, erfordert ein anderes Vorgehen, als von einem Bundesministerium einen Auftrag über 500.000 Euro in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb (siehe Infokasten) zu erlangen. Anbieter sollten ihre Preise, ihre Angebots- und Informationsmaterialien und sogar Aspekte ihrer Lösungen klar am definierten Ziel ausrichten. Ebenso sollten sie vor der Kontaktaufnahme die spezifischen Akteursstrukturen in der von ihnen adressierten Region und Regierungsebene nachvollziehen und sorgfältig die Ansprechpersonen und Kommunikationswege für ihren Erstkontakt wählen. Der entsprechende Schritt-für-Schritt-Guide und die dazugehörige Checkliste aus dem Playbook können Startups und innovativen KMU dabei helfen.

Das Playbook weist auch darauf hin, dass Beschaffungs- und Vergabestellen, die sich für den Kauf einer bestimmten innovativen oder gar einzigartigen Lösung interessieren, viele Möglichkeiten zur Verfügung stehen, diese gezielt und effizient zu beschaffen. Sowohl die VgV als auch die UVgO (siehe Infokasten) heben hervor, dass der innovative Charakter von Lösungen legitimer Grund für die Anwendung von Verhandlungsvergaben oder Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist. Diese Verfahren erlauben es Beschaffern, gewünschte Lösungen mit relativ geringem Aufwand und in relativ kurzer Zeit einzukaufen. Startups und KMU müssen proaktiv auf Beschaffer zugehen, um sie über die innovativen Aspekte ihrer Lösungen zu informieren - gleichzeitig können Beschaffer den gesetzlichen Rahmen noch effizienter nutzen. In diesem Zweiklang wird es möglich, neueste Innovationen effizient und ohne neue Vergabewerkzeuge oder gar Reformen des Vergaberechts umzusetzen.

Dieser Beitrag erschien zuerst im KOINNO Magazin 01/2023: https://www.koinno-bmwk.de/fileadmin/user_upload/KOINNOmagazin/2301_KOINNOmagazin.pdf

Der Link zum vollständigen Playbook: https://www.koinno-bmwk.de/startups-innovative-kmu/playbook/

Die UVgO

Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) ist die maßgebliche Verfahrensordnung für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen mit einem geschätzten Auftragswert unterhalb des EU-Schwellenwertes durch die öffentliche Hand. Die UVgO enthält nähere Regelungen für das auf nationaler Ebene durchzuführende Vergabeverfahren. Sie ist das Pendant zur Vergabeverordnung (VgV), die die Vergabe öffentlicher Aufträge über Liefer- und Dienstleistungen oberhalb des EU-Schwellenwertes regelt. Der Aufbau der UVgO folgt dem der VgV.

Das Verhandlungsverfahren

Das Verhandlungsverfahren ist eines der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, deren geschätzter Auftragswert oberhalb des EU-Schwellenwertes liegt. Im Verhandlungsverfahren wenden sich öffentliche Auftraggeber an (ein oder mehrere) ausgewählte Unternehmen, um mit diesen über die Angebote zu verhandeln. Zur Auswahl der geeigneten Bewerber, mit denen verhandelt werden soll, ist den Verhandlungen zunächst ein öffentlicher Teilnahmewettbewerb vorzuschalten. Ihm folgt die eigentliche Verhandlungsphase. Auf den öffentlichen Teilnahmewettbewerb darf nur unter besonderen Voraussetzungen verzichtet werden. 

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Jakob Kollotzek

Lead, Research

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